Die Frauen an der Spitze der schwedischen Küche
In schwedischen Spitzenrestaurants kochen längst nicht mehr nur Männer: Ein großer Teil der Innovation und Leidenschaften in der nordischen Gastronomie kommt von weiblichen Küchenchefs.
Die moderne schwedische Küche wird von zukunftsorientierten Köchinnen und Köchen vorangetrieben, die Wert auf Geschmack, Nachhaltigkeit und Innovation legen.
Wir stellen dir Einzelkämpfer und Duos vor, die die schwedische Gastronomie fit für die Zukunft machen. Ihre Restaurants sind über das Land verstreut und auch in ihrem Kochstil unterscheiden sie sich stark, aber das Streben nach einfallsreichen Gerichten, hochwertigen Zutaten und einem umweltfreundlichen Umgang mit Zutaten haben sie alle gemeinsam.
Der in Småland geborene und aufgewachsene Alexander Sjögren (geb. 1980) hat sich in den schonischen Restaurants Mötesplats Österlen, Vendel Ales Stenar und Hörte Brygga einen Namen gemacht, bevor er begann, sich bei Wettbewerben mit anderen Köchen zu messen. Im Jahr 2016 vertrat er Schweden beim internationalen Gastronomiewettbewerb Bocuse d'Or und holte sich die europäische Bronzemedaille. Beim darauffolgenden weltweiten Finale in Lyon belegte er einen soliden siebten Platz. Nach diesem Durchbruch hat er sich den Traum vom eigenen Lokal erfüllt und noch im selben Jahr in Malmö das Restaurant Mutantur eröffnet. In diesem Restaurant konzentriert sich der Küchenchef auf regionale, saisonale Zutaten und zaubert daraus Gerichte mit nordischen und asiatischen Einflüssen, zum Beispiel Rindertatar mit Shimeji-Pilzen.
Wie viele Vertreter der modernen schwedischen Küche geht Thomas Sjögren (geb. 1991) die Dinge unkonventionell an. Erst 2018 hat er in Göteborg das beliebte Restaurant Grano eröffnet, die den Bewohnern und Gästen der Hafenstadt als Treffpunkt und zweites Wohnzimmer dient. Der Name ist pfiffig gewählt: „Grano“ spielt auf Sjögrens nordschwedischen Heimatort Granö an, bedeutet aber auch „Weizen“ auf Italienisch.
Thomas Sjögren hat übrigens mit gerade einmal 24 Jahren den schwedischen Wettbewerb „Koch des Jahres 2015“ (Årets Kock) gewonnen und ist auch aus der TV-Show „Kampf der Köche“ (Kockarnas Kamp) im Jahr 2018 als Sieger hervorgegangen.
Im Mai 2022 eröffnete Thomas Sjögren ein neues Restaurant - das Signum in Mölnlycke - das von der renommierten Zeitschrift DI Weekend bereits zum Ausflugsziel des Jahres gekürt wurde.
Die Argentinierin Florencia Abella (geb. 1984) zog mit 20 Jahren nach Spanien, um als Köchin in Gourmetrestaurants durchzustarten. Nach Wanderjahren durch Italien, Dubai und Japan ist sie in Stockholm gelandet, wo sie als kreativer Kopf im Restaurant Esperanto tätig war. Seit 2019 ist sie Küchenchefin im Restaurant Ekstedt. Dort mag die Kochtechnik an früher erinnern – alles wird über offenem Feuer zubereitet –, aber bei der Gestaltung der Gerichte und der Beschaffung der Zutaten denkt man in neuen Bahnen. Abellas Interpretation der modernen schwedischen Küche ist einzigartig. Ihr verdanken die Gäste Gerichte wie mit Blätterteig umwickelte Topinambur, die mit schwarzem Trüffel bestreut und mit einem Klecks Holzkohlecreme abgerundet wird.
„Zero Waste“ lautete das Schlagwort in der modernen schwedischen Küche von Promikoch Paul Svensson (geb. 1974) und Nachwuchstalent Elvira Lindqvist, die die Gäste der Galerie Fotografiska im gehobenen Museumsrestaurant verwöhnten. Svensson hat früher für die Spitzenköche Marco Pierre White in London und Mathias Dahlgren in Stockholm gearbeitet, während Lindqvist die Konditorei im renommierten Operakällaren leitete. Heute ist Lindqvist Creative Leader in ihrem eigenen Restaurant Oxenstierna und Paul Svensson ist Küchenchef und Auszubildender des Ess-Experiments Studio2000.
Besonders viel Aufmerksamkeit hat das Duo mit der „abfallfreien Semla“ erregt. Das traditionelle Gebäck – ein Hefebrötchen, gefüllt mit Mandelcreme und Schlagsahne – ist ungefähr das schwedische Gegenstück zum Faschingskrapfen. Für die Mandelcreme wurde die Masse verwendet, die bei der Herstellung von Mandelmilch als Abfall anfällt. Und übrig gebliebene Kardamomschnecken wurden gemahlen und als aromatische Brötchen wiedergeboren.
Anton Bjuhr (geb. 1979) und Jacob Holmström (geb. 1982) waren bis 2022 die kulinarischen Genies hinter dem Stockholmer Restaurant Gastrologik. Ein kompromissloses Streben nach Nachhaltigkeit, Geschmack und Ästhetik hat dem Gourmettempel im Stadtteil Östermalm zahlreiche Auszeichnungen und internationale Anerkennung eingebracht. Das Duo arbeitete erstmals 2001 in Göteborg zusammen, worauf Wander- und Lehrjahre nach Oslo, Dubai, Seoul und Paris folgten. In der französischen Hauptstadt hat Holmström im Spitzenrestaurant L'Astrance gekocht, während Bjuhr bei Pierre Gagnaire den Kochlöffel schwang.
Seit der Schließung von Gastrologik ist Jacob Holmström nach Halland und Anton Bjuhr nach Skåne umgezogen, um sich dort zu regenerieren, bevor sie sich neuen beruflichen Aufgaben widmen.
.
Linnéa Liljedahl (geb. 1983) hat Gastronomie an der Universität von Umeå studiert und anschließend in mehreren gehobenen Restaurants in Stockholm gearbeitet, darunter Aquavit,Landet, Djuret und Paul & Norbert. Dort lernte sie Peter Eriksson (geb. 1980) kennen, ihren zukünftigen Lebens- und Geschäftspartner. Zusammen gründeten sie 2014 das Restaurant Linnéa & Peter in Örnsköldsvik an der Hohen Küste. Im gleichen Jahr schaffte es Liljedahl unter die Finalisten beim „Kampf der Köche“ (Kockarnas Kamp). Bei Linnéa & Peter erwartet dich moderne schwedische Küche mit einem mitteleuropäischen Touch. Auf ein Entrecote mit Kohl und karamellisierten Zwiebeln könnte zum Beispiel ein Dessert aus Heidelbeeren, salzigem Karamell und Joghurt folgen. Die Zutaten werden sowohl über regionale Bauern und Lebensmittelhersteller bezogen als auch in freier Wildbahn gesammelt.
Johan Backéus und seine Frau Birgit Malmcrona (beide geb. 1986) sind ein echtes Dream-Team der modernen schwedischen Gastronomie. Die gebürtige Spanierin hat das Handwerk der gehobenen Küche in erstklassigen Stockholmer Restaurants erlernt und perfektioniert. Im Gondolen erhielt sie Einblicke in die schwedische Kochtradition und bereitete hochwertige Hausmannskost (Husman) zu. Bei Shibumi und Ichi experimentierte sie mit asiatischen Einflüssen. Währenddessen hat sich Backéus den Titel „Koch des Jahres 2017“ (Årets Kock) geholt und im renommierten Restaurant Lux in Stockholm gekocht.
Nun lebt und arbeitet das Paar in seiner Heimatstadt Sundsvall, wo sie 2019 ihr Restaurant Naturaj eröffnet haben. Sie verwenden Gemüse aus dem eigenen Garten, und von dort stammen auch die Enteneier. In der nordschwedischen Natur sammeln sie außerdem Pilze, Beeren und Kräuter. Die moderne schwedische Küche von Naturaj bietet ein persönliches, intimes Esserlebnis. Die fachmännische Zubereitung erfolgt in einer offenen Küche, sodass die Gäste den Köchen bei der Arbeit zusehen können.
Die Köchin und Lebensmitteltechnikerin Malin Söderström (geb. 1969) zählt zu den Pionieren der schwedischen Gastronomie. Wertvolle Erfahrungen hat sie unter anderem im (mittlerweile geschlossenen) Stockholmer Spitzenrestaurant Paul & Norbert gesammelt. Heute kommen wir in Stockholm an drei Orten in den Genuss ihrer Kochkunst: im Moderna Museet, im The Fishery und auf dem Ausflugsschiff M/S Gustafsberg VII, das im Sommer durch den Schärengarten gleitet. Söderströms moderner Zugang zur schwedischen Küche bringt kreative, gesunde Gerichte aus regionalen Zutaten hervor. Eines ihrer Signature Dishes sind Tacos, gefüllt mit gebratenem Fisch, Bärlauch, Tomatensalsa und Schalotten.
Malin Söderström ist auch die erste Frau, die in die schwedische Kochnationalmannschaft aufgenommen wurde, die das Land bei internationalen Wettbewerben vertritt. Im Jahr 2011 leitete sie die Küche beim Nobelbankett. Drei Jahre später wurde sie zur „Gastronomin des Jahres“ (Årets Krögare) ernannt, außerdem hat sie mehrere Kochbücher herausgegeben. „Die schwedische Küche: 50 schwedische Klassiker“ ist 2000 sogar auf Deutsch erschienen, derzeit allerdings nur antiquarisch erhältlich. Im Jahr 2018 hat der nordische Gourmetführer White Guide die Köchin für ihren „langfristig bedeutsamen Beitrag für die Gastronomie“ geehrt (auf Schwedisch: Årets Långtida Betydelsefull Gastronomiska Gärning).
Das Restaurant Mutantur in Malmö
Mutantur in Malmö focuses on seasonal ingredients with a Nordic style and Asian influences. Here is a dish with lightly pickled silver onion, black truffle and a vinaigrette.
Foto: Oscar Wettersten/Restarant Mutantur
Das Restaurant Mutantur in Malmö
Foto: Oscar Wettersten/Restarant Mutantur
Restaurant Grano in Fjällbacka
Foto: Thomas Sjögren
Vom Restaurant Gastologik in Stockholm
Foto: Gastrologik
Vom Restaurant Naturaj
Foto: Rania Rönntoft
In schwedischen Spitzenrestaurants kochen längst nicht mehr nur Männer: Ein großer Teil der Innovation und Leidenschaften in der nordischen Gastronomie kommt von weiblichen Küchenchefs.