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Mit Kronprinzessin Victoria Bohuslän erwandern
Von den rundgeschliffenen Felsen der Landzunge Valnäs hat man freien Blick auf das Seegebiet Skagerrak. Man sieht nichts als Himmel, Wellen und die Schäreninsel Stora Drammen – Schwedens westlichsten Punkt. Lies diesen Bericht über die Wanderung von Kronprinzessin Victoria in der Region Bohuslän, eine der 25 Regionen Schwedens, die in dem Bildband „Schweden entdecken mit Kronprinzessin Victoria“ dokumentiert sind.
Gut zu wissen
- Von 2017 bis 2019 hat Kronprinzessin Victoria Wanderungen in allen 25 Landschaften Schwedens unternommen.
- Ihr Ziel war u.a., die Bedeutung von Bewegung an der frischen Luft hervorzuheben und zu zeigen, welch reichen Schatz die schwedische Natur uns allen bietet.
- Der Bildbank „Schweden entdecken mit Kronprinzessin Victoria“ aus dem Gerstenberg Verlag dokumentiert alle Wanderungen, liefert atmemberaubende Fotos und lesenswerte Reportagen über die Regionen, ihren Charakter, ihre Flora und Fauna und ihre Geschichte. Ab 1.Februar 2021 überall zu haben, wo es Bücher gibt.
Weit draussen im Schärengarten von Bohuslän liegt Nordkoster, die westlichste bewohnte Insel Schwedens. Wie die anderen Besucher – über 100.000 pro Jahr – erreicht Kronprinzessin Victoria die Insel im Mai 2018 mit dem Schiff. Vom Anleger Västra Bryggan (»Weststeg«) führt die Wanderung vorbei an weißen Holzzäunen und blühendem Flieder in Richtung Norden.
Einen ähnlich sonnigen Frühlingstag auf den Koster-Inseln beschrieb schon der Schriftsteller Göran Tunström (1937–2000), der hier seinen Zweitwohnsitz hatte: »Ein lichter, blauer Wind fegt das braune Laub hinfort und macht die Bäume rein. Die Blüten des Scharbockkrauts glänzen in der Brise, die drahtigen Wurzeln der Nesseln trocknen in den aufgeworfenen Schollen. Wildapfelblüten liegen über die Felsen verstreut und Schlehentriebe bedecken die Felsspalten. Die Innenfenster werden ausgehängt und die Räume weiten sich.«
Auf vier Quadratkilometern Fläche beherbergt Nordkoster eine abwechslungsreiche Naturlandschaft mit blühenden Wiesen, eiszeitlichen Kiesfeldern, karger Heide, windgepeitschtem Wacholder und knorrigen Bäumen. Auch Sandstrände gibt es auf der Insel – so etwa in der Bucht Basteviken, wo die Kronprinzessin Schulkindern beim Aufsammeln von Müll hilft. Bohuslän gehört zu den Küsten in Europa, an denen vom Atlantik der meiste Müll angetrieben wird – vor allem Plastik. Jedes Jahr kommen Hunderte Tonnen zusammen.
Mit den Herbststürmen landen jedoch nicht nur unerwünschte Abfälle an der westschwedischen Küste, sondern auch Vögel, die in dieser Gegend eigentlich nicht heimisch sind. Etwa hundert Seevogel- und 140 anderen Vogelarten bieten die Koster-Inseln eine Heimat.
Nationalpark Kosterhavet
Kosterhavet ist einer der schwedischen 30 Nationalparks. Im Jahr 2009 eingeweiht, ist es der erste marine Nationalpark in Schweden. Es ist Teil des Skagerrak-Meeresunds besteht aus dem Meer und den Ufern um die Koster-Inseln. Er enthält Korallenriffe und eine einzigartige Flora und Fauna, so dass der Park sich zum Schnorcheln eignet.
Foto: Per Pixel Petersson/imagebank.sweden.se
Das gute Wetter beschert Victoria eine spannende Entdeckung: Ein Ameisenlöwe hat im sonnenwarmen Sand eine Fallgrube gegraben. Diese Larven, die sich zu geflügelten Ameisenjungfern entwickeln, leben von Ameisen und anderen Insekten. Sie graben trichterförmige Vertiefungen, verstecken sich im Sand und lauern auf Beute, die in den Fangtrichter hinabrutscht.
Die Rundwanderung auf der Insel Nordkoster führt Victoria zu den Zwillingsleuchttürmen auf der höchsten Anhöhe der Insel. Da manche Kapitäne die zwei Leuchtfeuer mit Sternen verwechselten, wurden sie 1891 stillgelegt und durch einen einzelnen Leuchtturm auf der Insel Ursholmen weiter südlich ersetzt. Inzwischen scheint einer der Leuchttürme auf Nordkoster wieder, dank Bürgern, die sich für das maritime Kulturgut ihrer Region eingesetzt haben.
Kronprinzessin Victoria hält oft inne und lässt den Blick über die rötlichen Felsen und das Meer schweifen: »Die Steine, die das Wasser mit der Zeit rundgeschliffen und poliert hat, sind ein besonderer Anblick. Und das Gefühl, die ganze Nordsee vor sich zu sehen, ist herrlich. Man begreift aber auch, wie unbarmherzig das Wetter hier sein kann, wenn man die knorrigen Kiefern anschaut: Alle neigen sich in dieselbe Richtung. Überhaupt ist hier alles von Wind und Wetter gezeichnet. Bemerkenswert, dass eine Gemeinschaft unter solchen Bedingungen leben kann.«
Vom kleinen Hafen im Dorf Vettnet auf Nordkoster bringt die Fähre Victoria zum Anleger Ekenäs auf der doppelt so großen Insel Südkoster. Dort gibt es eine Kirche, eine Schule und ein Lebensmittelgeschäft, weitläufige Badestrände und vor allem noch mehr Nadel- und Laubwälder als auf der Nordinsel. Neben zahlreichen Orchideenarten findet man auch seltene Pflanzen wie die Stranddistel. Vom Valfjället, der höchsten Erhebung der Insel, genießt man die Aussicht auf die norwegische Küste und die Leuchttürme von Ursholmen.
Die größte Seehundkolonie auf Ursholmen
Die Insel Ursholmen ganz im Süden des Koster-Archipels, die Nordkoster 1891 als Leuchtturmstandort ablöste, ist bekannt für ihr auffälliges Gestein: Wie dicke Striche verlaufen im grauen Gneis Hunderte parallele Linien aus schwarzem Diabas. Auf den Schären und Klippen lebt die größte Seehundkolonie der Westküste – das Symboltier der Provinz.
Ursholmen und die meisten anderen der 400 Inseln und Schären des Koster-Archipels sind Teil des 2009 gegründeten Nationalparks Kosterhavet. Der Clou: Er ist Schwedens erster Meeres-Nationalpark, dessen geschützte Natur zu 98 Prozent unter Wasser liegt. Um die Natur zu entdecken, sollte man abtauchen und dem lehrreichen Schnorchelpfad mit Infotafeln folgen. Im Nationalpark leben über 12.000 Arten – sowohl unter als auch über Wasser –, von denen viele nur hier vorkommen. Grund für diesen Artenreichtum ist die Koster rännan, eine 250 Meter tiefe und einen Kilometer breite Rinne mit kaltem, salzigem Wasser.
Schwedens zwei Korallenriffe
In 85 Metern Tiefe liegt eines der beiden einzigen Korallenriffe Schwedens. Das zweite befindet sich bei der Inselgruppe Väderöarna (»Wetterinseln«) vor der Küste des Fischerorts Fjällbacka. Dort tummeln sich Seesterne, Miesmuscheln und Seeigel sowie Krabben, Kaisergranat, Hummer, Austern, Dornhaie, Glattrochen, Schweinswale, Delfine, Schwertwale und Grindwale.
Die Koster-Inseln erkunden
Kosterhavet, Schwedens erster Marine-Nationalpark, liegt rund um die fast autofreien Koster-Inseln, nur zwei Autostunden von Göteborg entfernt. Dies sind Schwedens westlichste Inseln. Der größte Teil von Nord- und Südkoster ist ein Naturschutzgebiet und die Flora und Fauna ist geschützt.
Foto: Emelie Asplund/imagebank.sweden.se
Das Koster-Meer erstreckt sich 30 Kilometer an der Küste und ein gutes Stück in den Skagerrak hinein. Im Norden geht es in den norwegischen Nationalpark Ytre Hvaler über und bildet eine natürliche Verbindung zum Nachbarland. Die Küste von Bohuslän zwischen dem Svinesund im Norden und der Insel Hisingen im Süden gehörte viele Jahrhunderte zu Norwegen.
Der Name »Bohuslän« bezieht sich auf die Festung Bohus, die von den Norwegern im Jahr 1308 im heutigen Kungälv am Fluss Göta Älv zur Verteidigung gegen die schwedischen Nachbarn angelegt wurde. Die Schweden beherrschten nämlich einen kurzen Küstenabschnitt an der Flussmündung. Weiter südlich, ab der Region Halland, regierten dann die Dänen. Unter König Karl X. Gustav gelangte Bohuslän 1658 schließlich zu Schweden.
Heringe, das Silber des Meeres
Was Bohuslän für die skandinavischen Mächte so attraktiv machte, war nicht nur die strategisch günstige Lage, sondern auch der Hering. Das »Silber des Meeres« war eine wichtige, aber auch unberechenbare Einnahmequelle. Historiker haben nachgewiesen, wie sehr Entstehung, Wachstum und Niedergang der westschwedischen Fischergemeinden von den »Heringsperioden« abhingen: Die Fischschwärme kamen und gingen, und mit ihnen der Wohlstand.
So wurde die Stadt Marstrand vermutlich in einer Heringsperiode um das Jahr 1200 gegründet. Während einer anderen Blütezeit des Heringsfangs im 16. Jahrhundert entstand das Fischerdorf Mollösund auf der Insel Orust. Die bedeutendste Heringsperiode fiel in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts. Der Fisch wurde eingesalzen und weiterverschifft oder gekocht und zu Heringstran bzw. Fischöl verarbeitet. In den besten Jahren gab es in Bohuslän ganze 429 Trankochereien. Ferner wurde Fischöl aus Grebbestad und Uddevalla nach Paris exportiert, wo es die französischen Revolutionäre zur Beleuchtung ihrer Straßenlaternen nutzten.
Exportschlager Granit
In Paris und in anderen europäischen Metropolen sind noch weitere Erzeugnisse aus Bohuslän zu finden: So legte man in den 1840er-Jahren auf der Insel Bohus-Malmön Granitsteinbrüche an, die Baumaterial für die Festung Carlsten auf der Insel Marstrandsö liefern sollten. Bald war der lachsrosa und graue Bohus-Granit auch international gefragt. Vom Abbau hat die Küste sichtbare Narben davongetragen.
Auch die Heringsperiode im 18. Jahrhundert hat in der Natur von Bohuslän Spuren hinterlassen. Damals wurde ein Großteil der Bäume als Bauholz und Brennstoff für die Fischindustrie abgeholzt. Viele Wälder haben sich nicht davon erholt. Doch durch diesen Kahlschlag entdeckten Archäologen auf dem Gebiet der Gemeinde Tanum zahlreiche Felsritzungen aus der Bronzezeit, die heute zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören.
Der schwedische Naturforscher Carl von Linné (1707–1778) bezeichnete die Küstenlandschaft einst als »eine Welt voller kahler Felsen«. Der berühmte Bohus-Granit ist jedoch nur in einem wenige Kilometer breiten Gürtel von Lysekil bis zur norwegischen Grenze zu finden. Ansonsten überwiegt grauer Gneis. Das Inland von Bohuslän ist hügelig, mit Nadelwäldern und felsigem Gelände. Besonders um die Hochebene Kynnefjäll haben die Bruchtäler viele Wasserläufe und Seen geschaffen, darunter die zwei schmalen Bullareseen, die zusammen 28 Kilometer lang sind. Die Bruchtallandschaft setzt sich auch an der Schärenküste mit ihren tief eingeschnittenen Buchten wie dem Gullmars- und Iddefjord sowie den Inseln fort.
Und noch etwas lockt – heute wie vor 200 Jahren – Tausende Besucher nach Bohuslän: die Badestellen am Meer. Alles begann mit Quellwasser und Wannenbädern in Strömstad, wo man 1786 das erste Warmbadehaus des Landes baute. Das Heilbad Gustafsberg nahe der Stadt Uddevalla wurde zu Schwedens erstem Kurort, und auch Marstrand erhielt etwas später mit königlicher Unterstützung ein Seebad. Noch um 1860 war der Badebetrieb an der schwedischen Westküste für viele ungewohnt. So berichtete z. B. der Schriftsteller Zacharias Topelius von einer Erscheinung, die er zunächst für eine Meerjungfrau in den Wogen hielt – bis sich diese als kraulender Engländer entpuppte.
Dieses Kapitel "Bohuslän" stammt aus dem Buch "Schweden entdecken mit Kronprinzessin Victoria" (Gerstenberg Verlag)
Titelbild SCHWEDEN ENTDECKEN
Titelbild der Bildbandes "Schweden entdecken mit Kronprinzessin Victoria"
Foto: Gerstenberg Verlag 2021