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Walter Sittler über Gotland
Über zehn Jahre lange drehte das ZDF die Reihe "Der Kommissar und das Meer" mit Walter Sittler als Ermittler auf Gotland. Da entsteht natürlich eine besondere Beziehung zur Insel. Hier sind seine Eindrücke.
Mari Jungstedt lieferte Ideen für packende Krimis, die Walter Sittler als Kommissar Robert Anders auf den Plan rufen. Es findet sich ein internationales Filmteam zusammen, um auf der schwedischen Insel Gotland zu ermitteln. Neben Walter Sittler sehen wir Inger Nilsson ("Pippi Langstrumpf"), Andy Gätjen und viele mehr. Bei den Dreharbeiten hat Walter Sittler die schwedische Insel Gotland kennen und lieben gelernt. Ein Interview und ein Video.
Frage: 20 Filme als Kommissar Anders in der Reihe "Der Kommissar und das Meer": Sie müssen seit 2007 viel Zeit auf der Insel Gotland verbracht haben. Gibt es Rituale, wenn Sie dort ankommen?
Ich fahre immer so schnell wie möglich auf eine der Klippen, wenn ich ankomme. Nach Högklint südlich von Visby zum Beispiel. Abends gibt es da beeindruckende Sonnenuntergänge mit grandiosem Licht. Man überblickt von dort, 50 Meter über dem Meer, die Küste nach Süden, nördlich sieht man Visby mit dem Hafen im Abendlicht glänzen. Das ist einer der schönsten Ausblicke der Insel, und ich habe das so noch nie woanders gesehen. Da viele Restaurants außerhalb der Saison geschlossen sind, gehe ich jedes Mal in die immer geöffneten Restaurants auf dem Marktplatz von Visby - ins Bakfikan und ins Bolaget. Und ein Ritual ist natürlich auch der erste Großeinkauf, dazu gehört immer Räucherlachs aus
Katthammarsvik.
Frage: Wie sind die Gotländer? Nordisch verschlossen oder kann man Freunde finden?
Wenn ich da bin, drehe ich fast jeden Tag. Insofern befreunde ich mich eher mit den Gotländern im Team. Nur mit ihrer Hilfe habe ich auch diesen einen speziellen Lederschneider gefunden. Ich habe mir dort eine Hose aus Rentierleder machen lassen. Er hatte den Weg auf seiner Homepage extra so schlecht beschrieben, dass ihn bloß ja nicht zu viele finden. Auf Gotland arbeitet man gern und gut, aber die Insulaner beziehen keine besondere Bestätigung aus einem möglichst stressigen Job. Sie mögen eine gewisse Freiheit, um an die Klippen, zum Fischen oder Jagen gehen zu können. Die Insel hat ja ein sehr gutes Klima, viel Sonne. Im Verlauf der Geschichte gehörte sie mal zu Schweden, mal
zu Dänemark, und auch das Zarenreich besaß sie kurzzeitig. Aber kaum je wurde etwas zerstört - meist übergab man die Stadt kampflos. Die großen Kirchenruinen in Visby sind nach der Reformation verlassen worden und dadurch verfallen. Und es gibt überall wunderschöne, sehr schlicht gehaltene Friedhöfe. Mag makaber klingen, aber von Ingmar Bergmans Grab aus hat man einen tollen Blick aufs Meer, besser kann man es nicht haben. Wenn schon, dann hier.
Frage: Fischen Sie?
Ich bin kein Angler, esse aber gern Fisch. Es gibt da eine interessante Fischfabrik, die tonnenweise Heringe in Platten einfriert und so nach Litauen liefert. Insgesamt gibt es nicht viel Industrie auf der Insel. Gotland lebt sehr von der Landwirtschaft: Schafe, Rinder, Gemüse und besonders köstliche Kartoffeln. Es gibt auch einen Weinberg, dessen Ertrag als Wein tatsächlich in Visby verkauft wird.
Frage: Lebt die Insel nicht auch vom Tourismus?
Im Sommer floriert das Geschäft mit den Touristen, viele Schweden, Engländer und Deutsche. Es kommen auch die Kreuzfahrtschiffe, dann wird die Hauptstadt Visby kurzzeitig von Kreuzfahrerinnen und Kreuzfahrern überschwemmt. Auch die Regierung aus Stockholm organisiert gern Tagungen auf Gotland: Man ist dort beieinander, keiner geht verloren – sie kommen dafür extra vom Festland rüber. Vermutlich zur Entschleunigung. Besonders schön finde ich die "Tage des offenen Ateliers". Da wird an den Straßen zum Beispiel durch einen Luftballon kenntlich gemacht, wo es lang geht, und man findet die unglaublichsten Menschen und Dinge an verwunschenen Orten. Auf Gotland arbeiten Glasbläser, Bildhauer, Maler aus Stockholm, Künstler aller Art.
Frage: Haben Sie weitere Empfehlungen?
Der Radweg einmal um die Insel ist lohnenswert. Am Wegesrand kann man einkehren und sehr leckeren Räucherfisch auf ganz besonderem Brot essen. Fårö – die kleine Insel im Norden, auf der Ingmar Bergman lebte – scheint aus der Welt gefallen. Ein breiter Strand mit wilden Felsformationen – Rauken genannt – dahinter dem Wind trotzende, schief gewehte Bäume auf moosbewachsenen Bodenwellen und um einen nur noch das Meer. Man kommt sich vor wie Alice im Wunderland. Gotland ist vielleicht nicht so spektakulär wie zum Beispiel der Grand Canyon, überwältigt einen nicht, aber die Insel lädt Dich als Mensch ein.
Frage: Was ist Ihnen wichtig an den Filmen der Reihe?
Die Figur des Kommissars ist mir schon ans Herz gewachsen. Teilweise hat er mit mir zu tun, teilweise nicht. Ich freu‘ mich, ihn spielen zu dürfen, solange es geht. Egal welches Thema wir in unseren Fällen angehen: Es muss so gemacht sein, dass man als Zuschauer eine Identifikation findet und sich zudem gut unterhalten fühlt. Kommissar Anders versucht, die Menschen so zu sehen, wie sie sind und nicht durch das Gitter der Gesetzgebung in eine Schublade einzuordnen. Manchmal kann man das Dilemma der Täter fast verstehen. Im Jubiläums-Film "In einer sternlosen Nacht" ist der Vater eines Kindes überfordert. Er macht viel falsch, nicht weil er zu streng ist, sondern weil er nicht weiter weiß, hilflos ist, sich das nicht eingesteht und eigentlich das Beste für das Kind will. Wir sehen im Film den Weg der Protagonisten. Sie versuchen eine Situation zu meistern, die ihnen längst entglitten ist, halten dem gesellschaftlichen Druck nicht stand. Gesetze anwenden ist unerlässlich, aber sie können dem entstandenen Drama nur selten gerecht werden, sind, wie alles Menschliche, unvollkommen. Letztlich könnte da nur helfen, zu einer Gesellschaft zu werden, die frei ist von falschen Zwängen, in der jeder leben und werden kann, was er wirklich ist. Ein weiter Weg für uns alle.
Frage: Woran liegt das?
Traditionen, Abkopplung der menschlichen Entwicklung von der wirtschaftlichen, die Digitalisierung der Welt. Das ist ja eine Technik, eine wunderbare Technik, die wir alle nutzen, deren Auswirkungen wir aber nicht absehen und handhaben können. Es gibt keine funktionierende gesetzliche Grundlage, Shitstorms fegen über den hinweg, der sich nicht "konform" benimmt. Menschen verlieren sich darin, verlieren die Empathie füreinander. Dabei kann diese Technik uns helfen, die Welt zu einer besseren zu machen.
Frage: Apropos Empathie: Ob Hotelier oder Kommissar, Ihnen fliegen die Herzen der Frauen zu, und Männer respektieren Sie. Immer wieder sind Sie gefragt worden, ob denn nicht Ihre Frau furchtbar eifersüchtig sein müsse. Uns würde etwas ganz anderes interessieren: Sind Sie eigentlich mal eifersüchtig?
War ich einmal – das ist schon lange her. Aber ich habe es zum Glück schnell gesagt. Es stellte sich als das heraus, was es war: Ein Hirngespinst. Der Eifersüchtige verstrickt sich oft in sich selbst, missinterpretiert Dinge und Tatsachen. Wenn man es schafft, darüber zu reden, was nicht einfach ist, kann sie sich auflösen. Oder aber sie stellt sich als berechtigt heraus, und dann kann man Konsequenzen ziehen. Also: darüber reden.
Frage: Hand auf Herz: Welches ist Ihr Lieblingsfilm?
Das ist eine für mich nicht beantwortbare Frage. Wäre ich in einer Jury dazu, müsste ich austreten, ich könnte mich nicht entscheiden. Der allererste Film hat natürlich eine besondere Stellung, der war hart und gut. Aber dann kommen eine ganze Reihe anderer ebenso guter, wie ich finde. Was soll ich sagen?
Das Interview führte Claudia Maxelon.
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