Der „Fika“-Brauch ist ein wesentlicher Bestandteil der schwedischen Esskultur. Der Begriff entstand im frühen 20. Jahrhundert, übrigens als scherzhafter Silbendreher vom Wort „Kaffi“ (eine alternative Schreibweise von „Kaffe“).
Ein halbes Jahrhundert zuvor hatte sich aber schon eine Tradition namens „Kafferep“ entwickelt: Beim „Kaffeekränzchen“ trafen sich Damen ausnahmsweise ohne Männer und Kinder, tranken Kaffee und gönnten sich sieben Arten von Gebäck, meistens Plätzchen („Sju Sorters Kakor“). Warum diese Zahl? Sieben war wohl die goldene Mitte zwischen Geizen und Prahlen. Bei aufwendigeren Veranstaltungen wurden neben Keksen auch Rührkuchen und/oder Zimt- und Kardamomschnecken aufgetischt.
Die Auswahl der Sorten war und ist den Gastgebern überlassen. Seit dem Jahr 2000 erlebt der typisch schwedische Brauch eine Renaissance, und aktuelle Favoriten auf der Kaffeetafel sind Butterkekse (Drömmar, also „Träume“), Schokoladenschnittchen (Chokladsnittar) und leicht zähe Nussplätzchen (Nötkakor).
Man weiß bis heute nicht genau, was die Endung „-rep“ bedeutet. Entweder geht sie darauf zurück, dass die Kaffeetrinkerinnen nebenbei Handarbeiten machten („repa“ steht dann für das Zerreißen und Reparieren von Stoffen). Oder sie hängt mit „repartisera“ zusammen, einem eleganten Wort für „Kosten aufteilen“. Das liegt nahe, weil ursprünglich jeder etwas zum süßen Gelage mitbrachte.
Kaffee und Kuchen als Keimzelle der Emanzipation
Der Kaffee wurde im 19. Jahrhundert in Schweden immer beliebter, doch zunächst war der Ausschank speziellen Kaffeehäusern vorbehalten. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts gelangte das Kultgetränk auch in die Haushalte der schwedischen Oberschicht, die sich und ihren Bekannten das eine oder andere „Kafferep“ gönnten. In den darauffolgenden Jahrzehnten etablierte sich die Tradition und breitete sich landesweit auf alle Ebenen der Gesellschaft aus.
Im frühen 20. Jahrhundert, als in den meisten Familien nur die Männer zur Arbeit gingen, gab das Kafferep-Ritual den Hausfrauen die Möglichkeit, die guten Tischdecken rauszuholen, ihre kulinarischen Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und sich auszutauschen. Zu diesen intimen Kaffeerunden waren meist nur die engsten Bekannten eingeladen.
Das Kafferep war aber nicht nur ein Fest der Süßigkeiten, sondern es hat in gewisser Weise auch zur Emanzipation der Frau in Schweden beigetragen. Die Köchin Lina Ahlin hat in einem 2011 veröffentlichten Essay dafür argumentiert, dass der Brauch im frühen 20. Jahrhundert den Wunsch der modernen Frau widerspiegelte, einen höheren gesellschaftlichen Rang zu erreichen. Zu diesem Ziel nutzte sie die Küche als Plattform. Bei ihren – nach außen hin unverfänglichen – Treffen haben die Damen einander angeregt, sich für eine gleichberechtigte Gesellschaft einzusetzen. In Schweden erlangten die Frauen erst 1919 das Wahlrecht und stiegen damals allmählich auch ins Berufsleben ein.
In den 1930er-Jahren erreichte die Plätzchen-Party den Höhepunkt ihrer Beliebtheit und wurde gerne in besondere Anlässe wie Taufen und Geburtstage integriert. Danach ebbte das Interesse ab, bis sich die Schweden um das Jahr 2000 wieder auf die Ursprünge der mittlerweile so beliebt gewordenen Fika besonnen. Der Kafferep-Brauch hat Tausende von Qualitätscafés inspiriert, die man heute im ganzen Land findet. Viele von ihnen bieten neben Torten, Zimtschnecken und Co. eine Auswahl an typisch schwedischen Plätzchen und anderem Kleingebäck an.
„Sieben Sorten Gebäck“: Schwedens Backbibel seit mehreren Generationen
Lust auf ein schwedisches Retro-Kaffeekränzchen im eigenen Wohnzimmer? Plätzchen in sieben Sorten zu backen, das mag nach viel Arbeit klingen, aber es ist einfacher, als es sich anhört: Mehrere Rezepte haben nämlich den gleichen klassischen Mürbeteig (auf Schwedisch „Mördeg“) als Grundlage. Er besteht aus Mehl, Butter und Zucker; manchmal kommt ein Ei hinein.
Dieser vielseitige Allrounder ist die Basis für allerlei knusprige Kreationen, und schon kleinste Ergänzungen wirken sich auf den Geschmack und das Aussehen aus. Wenn man schließlich die verschiedenen schwedischen Plätzchen nebeneinander anrichtet, ergibt sich ein unwiderstehliches Kaleidoskop aus Farben, Formen und Geschmacksrichtungen.
Das Ideal des Kaffeekränzchens mit verschiedenen Plätzchen ist in Schwedens kulinarischer Tradition so tief verwurzelt, dass es dafür ein eigenes Backbuch gibt: Es heißt schlicht „Sju Sorters Kakor“ und ist eine richtige Backbibel. Der Name lässt sich mit „Sieben Sorten Kekse“, aber auch mit „Sieben Sorten Gebäck“ übersetzen, denn neben Plätzchen finden sich darin auch Rührkuchen, Hefegebäck, Muffins und feine Torten – insgesamt 300 Rezepte! Die erste Auflage wurde 1945 veröffentlicht. Seitdem ist das Buch etwa vier Millionen Mal über den Ladentisch gegangen und gilt als Schwedens meistverkauftes Kochbuch. Daran sieht man, welchen Stellenwert Kaffee und Kuchen im Leben der Schweden haben.
Mit der Zeit wurde das Standardwerk mehrfach überarbeitet. Im Jahr 2017 ist die 100. Auflage erschienen, modernisiert von der Spitzenkonditorin Mia Öhrn. Mit Respekt vor der Tradition hat sie den Inhalt so angepasst, dass er den Essgewohnheiten und Küchenstandards von heute entspricht. Zum Beispiel musste die Margarine echter Butter weichen. Außerdem wurde ein Rezept für Vanillecreme hinzugefügt, die nicht aus Pulver, sondern von Grund auf frisch zubereitet wird. Auch neue Plätzchensorten wurden aufgenommen, darunter Karamellschnittchen (Kolasnittar) und die unglaublich beliebten „Himbeerhöhlen“ (Hallongrottor).
Als Schwedens Kuchenkoryphäe hat Mia Öhrn schon 20 Backbücher herausgegeben. Eines davon – „Süßes Fest: Schwedische Leckereien für Weihnachten“ ist auf Deutsch erhältlich (Thorbecke Verlag).